Friedensbrücken - Webseite der Frauenföderation für Frieden e.V.

Erziehung unserer Kinder zum Frieden 

Über Erziehung schreiben, heißt,

beinahe über alles auf einmal schreiben.

Jean Paul

(1763 - 1825), eigentlich Johann Paul Friedrich Richter, deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge


Die meisten von uns sind keine ausgebildeten Pädagogen. Mit den hier veröffentlichten Artikeln möchten wir nur zum Nachdenken und weiterem Erforschen anregen. Wir haben wie wahrscheinlich die meisten unserer Leserinnen Erfahrungen in unserem Leben gesammelt, die wir weiter geben möchten. Ihre Gedanken und Artikel  zum Thema Erziehung sind herzlich willkommen!

Im Juli 1997 unterzeichneten Nobelpreisträger aus aller Welt eine Aufforderung an die Vereinten Nationen, das Jahr 2000 zu einem Jahr der Erziehung zur Gewaltlosigkeit zu deklarieren und die Jahre von 2000 bis 2010 zur Dekade einer Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit zugunsten der Kinder der Welt. In ihrer Erklärung schrieben sie:

„Die Zukunft dieser Welt hängt von unserer Bereitschaft zur Veränderung ab, unserer Bereitschaft die Kultur der Gewalt zu beenden, sei sie physisch, psychologisch oder wirtschaftlich. Wir benutzen in der Erziehung unserer Kinder immer noch die Ideen, die in Zeiten des Krieges und der Eroberungen entwickelt wurden. ...Wir müssen diese veralteten Prinzipien verwerfen und unsere Kinder lehren, dass „der andere“ nicht „der Feind“ ist.

Wir müssen den Mut haben, den jungen Menschen sogar im Geschichtsunterricht zu sagen, dass sie der Welt mehr beisteuern können durch ein Leben in Würde als durch einen heroischen Tod und dass das Gewissen und nicht der Gehorsam die Grundlage des menschlichen Lebens ist. Die einzige Herausforderung, die uns heute bleibt und die die Zukunft bestimmen wird, ist, zum ersten Mal in der Geschichte, zusammen zu leben mit Selbstrespekt, gegen-seitigem Respekt und Respekt für die Umwelt. Um diesen Traum zur Wirklichkeit zu machen, möchten wir, dass alle Regierungen diese Resolution unterschreiben.”


Erziehung ist Beispiel und Liebe – sonst nichts.

Friedrich Wilhelm August Fröbel
(1782 - 1852), deutscher Pädagoge, Schüler von Pestalozzi, gründete 1840 den ersten Kindergarten


Wir leben in einer Zeit des ständigen Wandels, neuer Erkenntnisse im wissenschaftlichen Bereich, neuer Anforderungen im politischen, gesellschaftlichen Bereich, täglicher Nachrichten über Notsituationen, Verbrechen, Attentate, Kriege und Drohungen. Durch die Medien wird alles sofort in unser Heim und an uns herangetragen. Es gibt keine Möglichkeit, sich von der Umgebung abzuschotten. Man kann nicht, ohne sich mit der Umwelt auseinander zusetzen, leben, auch wenn man in dem kleinsten und abgelegensten Dorf lebt.

Für unsere Kinder und Jugendlichen ist dies eine große Herausforderung. Als ich klein war, konnte ich in Ruhe mit den Puppen spielen, an den Storch glauben und mich auf das Christkind freuen. Meine erste Erinnerung an ein politisches Ereignis war der Mauerbau in Berlin, von dem wir beim Abendessen im Radio hörten und der meine Eltern zutiefst bewegte. Ich war schon 9 Jahre alt. Ein weiteres Ereignis in meiner Jugenderinnerung ist das Attentat auf Kennedy, als ich 11 war. Aber so wie meine jüngste Tochter musste ich mich nicht mit Horrorbildern des Zusammenbruchs des World Trade Centers und Kriegsbildern aus Palästina, aus der Ukraine, mit ISIS und Al Qaida auseinander setzen. Und dies sind nicht die ersten Schreckensbilder für sie: Flutkatastrophen, Hungersnöte, Ebola usw. Andere Schrecken sind für sie die Tränen ihrer Freunde und Freundinnen, deren Eltern sich streiten, kurz davor sind, sich zu scheiden oder getrennt leben. Auch das erlebt sie schon seit dem Kindergarten.


Wie können wir diesen Herausforderungen begegnen? Wie können wir unseren Kindern Hoffnung vermitteln, ihnen Wege aufzeigen, eine Welt zu schaffen in der diese Ereignisse nicht weiterhin unseren Alltag bestimmen? Wie können wir vorbereiten, dass unsere Kinder ihre Kinder in eine Welt des Friedens gebären können? Unmöglich? Wir sind zu schwach dazu? Wir haben keinen Einfluss auf die politischen Zusammenhänge, auf die Mächte des Geldes, die hinter allem stehen? Wie oft haben wir so empfunden. Oder nicht?

Und doch, wissenschaftliche Untersuchungen haben ganz klar aufgezeigt, dass das Maß der in einem Volk herrschenden Menschlichkeit nicht hauptsächlich von seiner politischen Struktur und seinem Rechtswesen abhängt, sondern in erster Linie von seinen Familien. Die Folgen von Ehescheidungen und zerbrechenden Familien sind für die jeweilige Gesellschaft horrende. Die Kinder dieser Familien erleben einen Verlust an Bindungsfähigkeit, an der Kraft der Liebesfähigkeit, was letzten Endes bedeutet, einen Verlust an Menschlichkeit. Die Familie ist der Ort, in der die Menschen Geborgenheit, Liebe, Respekt und Achtung erleben. Existieren diese Grundlagen nicht, ist die Anfälligkeit für Drogen, Gewalt und Kriminalität sehr hoch.

Wo beginnen letzen Endes die Kriege? Überall wo Menschen zusammen leben gibt es Konflikte. Die Frage ist, wie diese Konflikte gelöst werden können. Im Austausch, Gespräch und Verständnis füreinander oder mit Drohungen und Gewalt?               Wo beginnen die Kriege? In den Köpfen und Herzen der Menschen. Warum versuchen Menschen, Konflikte mit Gewalt zu lösen? Ihnen fehlen die Fähigkeiten und Qualitäten zur konstruktiven Konfliktlösung. Und diese wiederum haben ihre Grundlage in dem Erlebnis von Geborgenheit, Achtung, Respekt und Liebe in der Familie.

Dort ist der Anfang unserer Aufgabe als Frauen. Unsere Kinder und die Jugendlichen im allgemeinen zu fördern, Qualitäten zum positiven Miteinander zu entwickeln. Die Entwicklung des Herzens, die Hinwendung zum Mitmenschen, die Abwendung vom egoistischen Leben, die Abwendung von der „Spaßgesellschaft“ sind die Grundlagen für den Frieden. Frieden ist nicht nur ohne Krieg leben. Frieden ist ein Miteinander aller verschiedener Rassen, Kulturen und Religionen in gegenseitiger Akzeptanz, Respekt und Achtung.

Hier im Westen haben wir alle Möglichkeiten eine gute Ausbildung zu genießen, einen Beruf zu erlernen, auf materieller Ebene ein relativ gutes Leben zu führen. Aber wie sieht es mit der Entwicklung der inneren Qualitäten aus? Die Schulen sind größtenteils nur noch Institute zur Wissensübermittlung. Wir sind reich aber zur gleichen Zeit sehr arm. Dort können unsere Anstrengungen einsetzen, bei unseren Kindern Qualitäten und Fähigkeiten zu fördern und zu entwickeln, die sie für ein friedvolles Miteinander brauchen.

So wird unsere Familie zum Baustein der Gesellschaft. Das bedeutet nicht, dass wir unseren Kindern und Jugendlichen etwas vorspielen sollen, was wir selber noch nicht erreicht haben. Einzig und allein wichtig ist Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Fairness unserem Partner gegenüber. Wichtig ist, den Kindern zu zeigen, wie man trotz verschiedener Anschauungen, Meinungen miteinander leben kann. Konflikte dürfen auch vor den Kindern gelöst werden, wenn wir es schaffen ruhig und mit Liebe zum anderen darüber zu sprechen. Auch dürfen wir es zulassen, dass unsere Kinder unsere Lehrmeister sind. Durch meine Kinder habe ich einen ganz neuen Aspekt der Liebe kennen gelernt. Und wie oft war ihre Reaktion so viel echter, liebevoller und spontaner als meine.

In seiner Rede „Was kann die Institution Familie für den Weltfrieden beitragen?“   sagte Siegfried Klammsteiner (Institut zur Förderung sozialer Kompetenzen): „Die Partnerschaft und Elternschaft stellt eine große Chance dar, zu reifen, ganz zu werden, wahre Liebe zu entfalten, die Masken, die Rollen, den Schein abzulegen und echt zu werden. Wir sind in der Familie aufgefordert, uns ganz auf die Beziehung einzulassen und uns selbst zu geben. Ehe und Familie ist somit ein Weg, den wir gemeinsam beschreiten, um durch die Liebe das zu werden, was wir wirklich sind, ein Wesen der Liebe.“

Liebe ist als der Weg zu einer erfüllten Partnerschaft und Elternschaft auf Echtheit gegründet, wenn sie nicht auf die Beziehung zum Partner und zu den Kindern begrenzt bleibt. Liebe in der Familie ist nicht eine Verengung der Menschheitsliebe, sondern ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Menschheitsliebe. Sich für die Liebe zu entscheiden ist unteilbar. Es bedeutet Zuwendung, Achtsamkeit, Anteilnahme und Wohlwollen - in angemessener Weise - allen Geschöpfen und Dingen gegenüber. Es beinhaltet aufrichtiges Geben ohne zu fordern und zu erwarten. Daraus entsteht Nähe, Geborgenheit und Solidarität.

Dies sind die Grundlagen für den Frieden. Das Zentrale in der Erziehung zum Frieden ist die Liebe. Wo auch immer unsere Familie sein oder wie sie aussehen mag, ist nicht wichtig. Unsere Familie kann wie meine siebenköpfig oder, wenn ich allein lebe, auch die Familie meiner Nachbarschaft sein. Familie können meine Schüler sein, wenn ich Lehrerin bin. Familie können meine Kollegen sein. Familie können wir uns als Frau überall suchen, um teilzunehmen am Prozess des Aufbaus einer friedlichen Welt.     Ich wünsche Ihnen allen viel Erfolg und das Bewusstsein, dass Sie einen großen Beitrag leisten für das Glück der nächsten Generation.

Ingrid Lindemann